Yayoi Kusama – die Künstlerin und ausgewählte Werke

Ihren gelben Kürbis mit schwarzen Punkten auf der Insel Naoshima kennt wohl jeder – vielleicht sogar noch sein rotes, etwas gedrungeneres Geschwisterkind, das nur wenige Kilometer entfernt ebenfalls auf der Insel steht. Doch die mittlerweile über 90 jährige Künstlerin Yayoi Kusama hat in ihrem Leben noch viele weitere Kunstwerke geschaffen, die auf der ganzen Welt ausgestellt sind. Ich selber hatte die Freude, einige ihrer Werke in Washington, D.C. und Boston betrachten zu können.

Yayoi Kusama


Kunstikone und Happenings mit politischer Message

Yayoi Kusama wurde 1929 in Matsumoto, Präfektur Nagano geboren. 1948 schrieb sie sich an der Kyoto Municipal School of Arts and Crafts ein, lernte dort japanische Kunst „Nihonga“, und hielt bereits in den 1950ern erste Solo-Ausstellungen in Japan ab. Trotz dieser Erfolge fühlte sie sich in der japanischen, damals noch sehr männerdominierten Kunstszene nicht angenommen, während ihre Kunst im westlichen Ausland gefeiert wurde. Aus diesem Grund zog sie 1957 erst nach Seattle, und anschließend nach New York.

In New York schaffte sie Kunstwerke aus genähtem und ausgestopften Stoff in Kombination mit anderen Medien, und wenig später auch ihre ersten Infinity Mirrored Rooms, deren Wände mit Spiegeln bedeckt sind, um die Illusion von Unendlichkeit zu erschaffen. Sie organisierte während ihrer Zeit in den USA auch diverse Happenings, vor allem in New York, aber auch in Venedig zur Biennale 1966. Mit diesen Happenings wollte sie auf Narzissmus in der Kunstszene aufmerksam machen und Grenzen hinterfragen.

Kusama hatte eine schwere Kindheit und Jugend, die von harter Arbeit in einer Fallschirm-Fabrik angesichts des drohenden zweiten Weltkriegs geprägt war. Zusätzlich belastete die schwierige Beziehung zwischen ihren Eltern sie über Jahre. Viele ihrer Werke befassen sich daher mit Sexualität oder stellen sexuelle Symbole dar. Laut eigenen Aussagen leidet Yayoi Kusama außerdem seit ihrer Kindheit unter Halluzinationen, die sich als Punkte an Wänden und Decken zeigen. Daher sind Polkadots ebenfalls ein wiederkehrendes Motiv in ihren Werken.

1973 kehrte sie nach Japan zurück und ließ sich freiwillig in eine psychiatrische Klinik einwiesen. Dort lebt und arbeitet sie bis heute.


Infinity Mirrored Room „Phalli’s Field“ (1965)

Phalli's Field by Yayoi Kusama
Ich im Infinity Mirrored Room „Phalli’s Field“ 🙂 – Hirshhorn Museum, Washington D.C.

Schon kurz nachdem Yayoi Kusama nach New York gezogen war, schaffte sie Kunst auf größerem Maßstab als bisher und brachte ihre Visionen zuerst auf große Leinwände und kreierte später Installationen, die ganze Räume füllen. Tatsächlich kombiniert der erste Infinity Room, „Phalli’s Field“ (1965) alle Elemente, welche Kusamas Kunst berühmt machten: Polkadots, genähte Objekte aus Baumwollstoff, sowie sich unendlich widerholende Spiegelwände.

Besonders schwierig und zeitintensiv gestaltete sich das Nähen der phallusförmigen Objekte, welche den gesamten Boden des Raumes bedecken. Schon bald griff Kusama auf Spiegel zurück, um den Eindruck zu erwecken, dass ich die Skulpturen ins Unendliche erstrecken. So entsteht ein schier ewiges „Phallus-Feld“. Kusamas wiederkehrendes Motiv der Sexualität ist unverkennbar.

Der Infinity Mirrored Room wurde 1965 als Teil der Ausstellung „Floor Show“ in der Castellane Gallery in New York das erste Mal gezeigt. Nur ein Jahr später nutzte Kusama ein Panel des „Phalli’s Field“ für ihr „14th Street Happening“, bei dem sie sich auf ihr Kunstwerk legte und mitten auf dem Gehweg platzierte. Bis heute ist der erste Infinity Mirror Room eines der signifikantesten Werke von Yayoi Kusama, denn der Raum und Teile davon tauchen in mehreren (Selbst-)Portraits, Happenings und Performances der 60er Jahre auf.


Infinity Mirrored Room „Love is Calling“ (2013)

Love is Calling by Yayoi Kusama
Infinity Mirrored Room „Love is Calling“ – Institute of Contemporary Art, Boston

„Love is Calling“ ist bislang Kusamas immersivster und kaleidoskopischster Infinity Mirrored Room. Die volle Bandbreite der typischen visuellen Elemente kommt zum Einsatz – von klassischen Polkadots, über weiche, tentakelartige Skulpturen in bunten Farben, hin zur Illusion von Unendlichkeit, hervorgerufen durch Spiegelwände. Anders als bei ihren vorherigen Werken, bei denen Besucher sich auf einem vorgeschriebenen Pfad durch den Raum bewegen mussten oder nur eine kleine Fläche zum Stehen haben, kann man nun frei zwischen den Skulpturen herumgehen.

Zusätzlich läuft ein japanisches Gedicht der Künstlerin in Dauerschleife, das nach eigenen Angaben eine universelle Liebesbotschaft übermitteln soll. Das Gedicht hat jedoch einen dunkleren Unterton, denn es hinterfragt Liebe im Angesicht des Todes. Da Kusama selber zu dem Zeitpunkt, als sie „Love is Calling“ schuf, bereits 80 Jahre alt war, kann es ganz klar auch als Beschäftigen mit der eigenen Sterblichkeit verstanden werden.


„Pumpkin“ (2016) und Infinity Mirrored Room „All the Eternal Love I Have for Pumpkins“ (2016)

Pumpkin by Yayoi Kusama
„Pumpkin“ – Hirshhorn Museum, Washington D.C.

Kusama entstammt einer Bauernfamilie, die Pflanzensamen züchtete und verkaufte. In ihrer Kindheit besuchte sie auch eine Kürbisfarm mit ihrem Großvater, die sie angeblich zu ihren Werken inspirierte. Auf dieser Farm inmitten von bunten Blumenfeldern entdeckte sie einen Kürbis „so groß wie ein Kopf“, welcher sie mit seiner unregelmäßigen und organischen Form beeindruckte.

Das Kürbismotiv taucht seit den 1940ern immer wieder in ihren Malereien, Zeichnungen, Skulpturen und Installationen auf. Die wohl bekanntesten Kürbisse stehen auf der japanischen Insel Naoshima. Doch weitere Kürbisse – „Pumpkins“ – unterschiedlicher Größe finden sich auf der ganzen Welt verteilt. Die Kürbisse sind meistens gelb mit schwarzen Punkten und sehen sich ähnlich, aber wie Kürbisse im echten Leben ist ihre Form immer etwas unterschiedlich, was sie zu echten Unikaten macht.

Ein weiteres ihrer Werke, das sich mit dem Kürbismotiv befasst, ist der Infinity Mirrored Room „All the Eternal Love I Have for Pumpkins“. In diesem schwach beleuchtetem Raum befinden sich leuchtende Kürbisse auf dem Boden, die sich durch Spiegelwände zu einem ewigen Kürbisfeld fortsetzen. Auch hier sind die Kürbisse alle unterschiedlich in Größe und Form – Unikate ganz wie im echten Leben eben!


Infinity Mirrored Room „My Heart is Dancing into the Universe“ (2018)

My Heart is Dancing into the Universe by Yayoi Kusama
Infinity Mirrored Room „My Heart is Dancing into the Universe“ – Hirshhorn Museum, Washington D.C.

„My Heart is Dancing into the Universe“ ist Yayoi Kusamas neuester Infinity Mirror Room. Natürlich finden sich auch hier die uns schon bekannten Polkadots wieder, die die farbwechselnden Papierlaternen zieren. Besucher bewegen sich auf einem gewundenem Weg durch die Laternen hindurch und können den Raum aus verschiedenen Winkeln erleben.

Kusama experimentiert mit „My Heart is Dancing into the Universe“ weiter mit Raum, denn sie bedeckt nun nicht nur die Wände mit Spiegeln, sondern auch den Boden und die Decke, was die Illusion von Unendlichkeit ins Grenzenlose erweitert.

Die Papierlaternen erinnern an japanische Chōchin, Laternen wie man sie in Japan an Tempeln, zu Festivals oder vor Izakayas findet, und verbinden uns mit Kusamas Wurzeln. Gleichzeitig spiegeln sich die bunten Laternen in den Spiegelwänden ewig wieder, bis sie sich in der Ferne zu einem bunten Farbenmeer vermengen. Die Lichter tragen unseren Blick so ins Universum hinaus.


Mein Fazit

Yayoi Kusama ist eine Ikone der zeitgenössischen Kunst und verwebt in ihren Werken Ansätze von Pop-Art, Minimalismus und Psychedelia. Kusama experimentiert mit diversen Medien, sowohl physischen Materialien, als auch Licht und Ton. Besonders die Infinity Mirrored Rooms ermöglichen es einem, vollständig in ihre Welt einzutauchen uns sich darin zu verlieren.

Natürlich hat Yayoi Kusama nicht nur Infinity Mirrored Rooms geschaffen. Insbesondere als junge Künstlerin schaffte sie viele Zeichnungen und Malereien, darunter auch einige Selbstportraits. Doch auch hier tauchen die bekannten Polkadots immer wieder auf. Ihre späteren Werke sind zunehmend bunter, ganz ihrem psychedelischem Stil entsprechend.

Kusama erfreut sich in den letzten Jahren großer Beliebtheit, da ihre Spiegelräume sich natürlich besonders als Kulisse für Instagram-Posts eignen. Mir haben die beiden Ausstellungen im Hirshhorn Museum in Washington, D.C. und am Institute of Contemporary Art in Boston sehr gut gefallen. Leider bekam man pro Raum nur wenig Zeit, eben da ihre Werke so viele Fans haben.

Die Ausstellung in Boston endete am 31.12.2022, aber das Hirshhorn Museum in Washington, D.C. stellt Yayoi Kusamas Infinity Mirrored Rooms und Pumpkin noch bis Frühling 2023 aus.


Hilfreiche Links


Bildquellen

Yayoi Kusama: Photo by Yusuke Miyasaki. Courtesy of Ota Fine Arts, Victoria Miro, David Zwirner. © Yayoi Kusama


2 Kommentare zu “Yayoi Kusama – die Künstlerin und ausgewählte Werke

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