Die meistbereiste Stadt Japans ist die Metropole Tokyo, dicht gefolgt von Osaka. Beide Städte stehen stellvertretend auch für die Regionen, in denen sie liegen: Kantō und Kansai. Die Regionen haben jeweils ihre Eigenheiten, wie zum Beispiel den in der Metropolregion Osaka gesprochenen Dialekt „Osaka-ben“ oder, dass man in Kantō auf der linken Seite der Rolltreppe steht und in Kansai auf der rechten Seite. Doch auch in der Küche zeigen sich Unterschiede…
Ich besuche aktuell an der Uni einen Japanischkurs, der sich mit der Küche Japans befasst und versucht, uns Studierenden die Sprache von der kulinarischen Seite her näherzubringen. Von der ersten Vorlesung an hat mich das Thema neugierig auf mehr gemacht. Deshalb dachte ich mir, dass ich hier auf meinem Blog eine Reihe starte, die sich mit genau diesem Thema befasst. Etwa alle zwei Wochen soll ein neuer Beitrag in der Reihe erscheinen.
Dieser Artikel stellt den zweiten Beitrag der Reihe dar. Im Folgenden werden die wichtigsten kulinarischen Unterschiede zwischen den beiden Regionen Kantō und Kansai herausgearbeitet und betrachtet, inwiefern diese heute noch bestehen.
Die Regionen Kantō und Kansai
Nicht nur touristisch, sondern auch wirtschaftlich sind Kantō und Kansai die relevantesten Regionen Japans. Neben japanischen Firmen sind auch viele internationale Firmen hier angesiedelt. Besonders in den beiden jeweils größten Städten Tokyo und Osaka treibt das die Mietpreise hoch, denn viele junge Japaner und Japanerinnen erhoffen sich eine gute Arbeitsstelle in der Großstadt. Dadurch haben sich um die Städte weitläufige Metropolregionen gebildet, die durch außerordentlich guten öffentlichen Nahverkehr und eine relativ junge Bevölkerung geprägt sind.
Kantō besteht aus den sieben Präfekturen Chiba, Gunma, Ibaraki, Kanagawa, Saitama, Tochigi, und Tokyo. Die Region wird häufig auch als „Großraum Tokyo“ bezeichnet. Dieser Eindruck entsteht dadurch, dass all diese Präfekturen recht dicht besiedelt und mit Lokalzügen der Bahngesellschaft JR East verbunden sind. Somit ist das Zentrum Kantōs, Tokyo, von allen größeren Städten und Gemeinden aus relativ leicht zu erreichen.
Viele Städte in den benachbarten Präfekturen Chiba, Kanagawa und Saitama existieren als Satellitenstädte, die hauptsächlich aus Wohngebieten bestehen und nicht viele Arbeitsplätze bieten, da ein Großteil deren Bewohner täglich nach Tokyo pendelt. Einige wenige Arbeitnehmer in Tokyo nehmen sogar täglich den langen Arbeitsweg aus weiter entfernten Präfekturen wie Gunma oder Ibaraki auf sich.
Zu Kansai gehören die Präfekturen Hyōgo, Kyoto, Nara, Osaka, Shiga, und Wakayama; meist wird auch Mie noch zu Kansai gezählt. Im Zentrum der Region Kansai steht Osaka, die wirtschaftlich wichtigste Stadt der Region. Anders als in Kantō haben die anderen Präfekturen Kansais ihre Individualität behalten; das Pendelverhalten ist hier nicht so ausgeprägt, obwohl die einzelnen Präfekturen durch die Bahngesellschaft JR West miteinander verbunden sind. Auch touristisch ist die Region sehr interessant, denn hier liegen die beliebten Reiseziele Kyoto, Nara und Osaka nur jeweils eine Bahnstunde voneinander entfernt.
Suppengrundlage Dashi
Ein Unterschied zwischen der Küche Kantōs und Kansais ist, woraus die Suppengrundlage bzw. Brühe Dashi gewonnen wird: In Kantō wird sie traditionell aus Bonitoflocken, den sogenannten Katsuobushi, gewonnen, während in Kansai eine vegane Variante aus Kombu-Seetang zubereitet wird.
Das erscheint auf den ersten Blick vielleicht widersprüchlich, da Kombu eine Seetangvariante ist, die in besonders kalten Gewässern rund um Hokkaido angebaut wird – wie kommt also Kombu in die weit entfernte Region Kansais? Dazu muss man sich die Handelsrouten Japans vom 14. bis frühen 17. Jahrhundert anschauen: Waren aus Hokkaido wurden über das Japanische Meer in die Präfektur Fukui gebracht und gelangten über den Biwa-See bis nach Kyoto. Somit konnte sich Kombu als Zutat in Kyoto und auch im Rest Kansais etablieren.
Bonito hingegen kann im pazifischen Ozean gefangen werden. Die Stadt Edo, aus welcher sich das heutige Tokyo entwickelt hat, war lange Zeit ein Fischerdorf, weshalb es nur naheliegend ist, dass Dashi aus zur Verfügung stehenden Zutaten hergestellt wurde. Von dort aus verbreiteten sich die lange haltbaren Bonitoflocken in umliegende Gebiete, welche das heutige Kantō bilden.
Nicht nur in ihrer Herstellungsart, sondern auch geschmacklich unterscheiden sich die beiden Dashi-Varianten. Dashi aus Kombu ist eher leicht im Geschmack, aber dennoch rund, was in der japanischen Küche als „Umami“ bezeichnet wird. Dahingegen ist Dashi aus Katsuobushi kräftiger und salziger.
Heutzutage findet man in Geschäften oft eine Mischvariante aus beidem, zudem werden oft getrocknete Shiitake-Pilze beigemischt. Diese Dashi-Art wird „Awase-Dashi“ genannt. In gehobenen traditionellen Restaurants in Kyoto wird jedoch auch heute noch die ursprüngliche Variante der Region, Dashi aus Kombu-Seetang, verwendet.
Helle und dunkle Sojasauce
Sojasauce ist die wohl wichtigste Zutat in der japanischen Küche. Als Würzsauce kommt sie in vielen Gerichten zum Einsatz, und auch zum Sushi oder Sashimi wird Sojasauce gereicht. Sojasauce wird hergestellt, indem Sojabohnen und Weizen, oder je nach Variante auch nur Sojabohnen, Wasser und der Aspergillus Hefepilz zugesetzt wird und so zwischen sechs Monaten bis zu einem Jahr fermentiert.
Anders als Sojasauce, deren Ursprung im 8. Jahrhundert aus China überliefert wird, stammt Miso tatsächlich aus Japan. Wasser, das während der Fermentation von Miso austritt, wurde früher als Starter für Sojasauce verwendet. Diese Variante heißt heutzutage „Tamari-Shōyu“.
Während der Edo-Zeit entwickelten sich in der Präfektur Hyōgo (Kansai) und der Präfektur Chiba (Kantō) zwei verschiedene Versionen der Sojasauce: Die Sojasauce in Kansai ist etwas heller in der Farbe und seichter im Geschmack, und wird daher „Usukuchi-Shōyu“ (薄口醤油) genannt. Im Gegensatz dazu ist die Sojasauce in Kantō etwas dunkler und hat einen kräftigeren Geschmack, und wird daher „Koikuchi-Shōyu“ genannt (濃口醤油). Unabhängig von der Farbe sind jedoch beide Varianten etwa gleich salzig.
Heutzutage sind jedoch fast alle Marken im ganzen Land verfügbar, weshalb die regionalen Unterschiede nicht mehr ganz so ausgeprägt sind. Die jeweils typische Variante der Region findet man fast nur noch in gehobenen Restaurants und den Lokalen auf Fischmärkten wie dem Tsukiji.
Weiß- und rotfleischiger Fisch
Die Region Kansai liegt am Seto-Binnenmeer, das die Inseln Honshū, Kyūshū und Shikoku voneinander trennt. Dort werden vor allem Fischarten verzehrt, die in eben diesem Binnenmeer gefangen werden können. Dazu zählen vor allem weißfleischige Fische mit leichterem Aroma, wie beispielsweise Meerbrassen (jap. 鯛, Tai). Dazu passt die helle Sojasauce, die in Kansai üblich ist, hervorragend.
Dahingegen liegt die Region Kantō am pazifischen Ozean, in dem viele rotfleischige Fische wie Thunfisch und Bonito gefangen werden können. Diese haben typischerweise einen intensiveren Geschmack, zu dem die dunkle Sojasauce gut passt.
Wie mit vielen anderen regionalen Unterschieden auch, hat sich dieser mit der Zeit verwaschen. Fortschritte in der Kühltechnologie haben dazu geführt, dass Fisch von den Fanggebieten auch in weiter entfernte Regionen transportiert werden können. Mittlerweile servieren die meisten Restaurants sowohl weiß- als auch rotfleischigen Fisch als Sushi und Sashimi.
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Die Küche Japans entdecken: Was zeichnet die japanische Küche aus?
Klassiker wie Sushi oder Ramen sind auf der ganzen Welt bekannt und beliebt. Doch wie haben sich diese Gerichte entwickelt? Warum verwenden wir die Zutaten, die wir verwenden? Kurzum: Was hat die japanische Küche zu dem gemacht, was sie heute ist?
Quellen
Sekundärliteratur:
Hatasa Kazumi, Fukutome Nami: めしあがれ – A Culinary Journey through Advanced Japanese. くろしろ出版, 2021. (🔗Amazon Link) (🔗Textbook Website)
Bildquellen:
[1] Lage der Region Kantō in Japan. Via: Wikimedia Commons, zuletzt aufgerufen 26.01.2023.
Zugeschnitten, mit [2] überlagert und Beschriftung hinzugefügt.
[2] Lage der Region Kansai in Japan. Via: Wikimedia Commons, zuletzt aufgerufen 26.01.2023.
Zugeschnitten, mit [1] überlagert und Beschriftung hinzugefügt.
Ein Kommentar zu “Die Küche Japans entdecken: Kulinarische Unterschiede zwischen Kantō und Kansai”